Digital Media Lab - Karlstadter Aufruf

Download-Link: Karlstadter Aufruf

 

Digital Media Lab Schirmherrin: Staatsministerin im Bundeskanzleramt Dorothee Bär MdB

 

 

Digital werden und menschlich bleiben Karlstadter Aufruf zur Digitalisierung in der Schule. 1. Oktober 2018

 

Zur Landtagswahl fordern die Diskussionsteilnehmer des Digital Media Lab „Digitalisierung in der Schule“ gemeinsam:

 

1. Grundsatz: Ziele und Mehrwert von digitalen Lehr- und Lernangeboten

 

Digitalisierung in der Schule soll Schülerinnen und Schüler befähigen, in der Zukunft ein gutes Auskommen in einer zunehmend digitalisierten Welt zu finden, ihnen helfen, diese veränderte Welt bewusst mitzugestalten und zugleich menschlich Haltung zu bewahren.  Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Daher sollte der pädagogische Mehrwert digitaler Lehr- und Lernmethoden sowie digitaler Inhalte überprüft und evaluiert werden. Digitale Lehr- und Lernmethoden sollten herkömmliche analoge pädagogische Methoden nur ersetzen und soweit ergänzen, wie sie mindestens genauso gut und erfolgreich sind. Maßstab ist der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler.

 

2. Inhalte und Folgenbewältigung der Digitalisierung

 

Nicht nur das digitale Sein bestimmt das Bewusstsein, sondern auch das Bewusstsein das Sein: Digitalisierung in der Schule soll zentral, fächerübergreifend und jahrgangsstufengerecht die Auswirkungen der Digitalisierung in der Gesellschaft reflektieren, um das Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler für die Chancen und Vorteile, aber auch für die Risiken und Gefahren zu stärken: Digital werden, aber menschlich bleiben – das ist ein zentrales Leitmotiv.

 

Digitalisierung bietet – wie einst z.B. die Industrialisierung und Motorisierung – erhebliche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten: neue Berufe, innovative Produkte und Geschäftsmodelle, Möglichkeiten, menschliche Kontakte zu halten und zu pflegen, neue Quellen und neue Ressourcen. Digitalisierung bringt aber daneben auch spezifische Risiken und Betriebsgefahren mit sich: z.B. Suchtgefahren und Cybermobbing gefährden das Individuum. Menschliche Begegnung „live“ leidet unter stetem Griff zum Smartphone. Radikale politische Gruppen können sich durch soziale Medien schneller mobilisieren und sind damit lauter als in der analogen Demokratie. Die Innenstädte stehen als Ort der Begegnung zur Disposition. Klassische Medien verlieren die Gatekeeper-Funktion im öffentlichen Diskurs. Fake News beeinflussen Wahlen.

 

Um Chancen und Risiken sachgerecht einschätzen zu können, ist Sachwissen nötig: Wie funktioniert die digitale Welt der Algorithmen, des Programmierens, welche Rolle spielt der Datenschutz – das zu begreifen und mitzugestalten, dazu kann Schule besonders im Informatikunterricht einen maßgeblichen Beitrag leisten. Bloße Anwendung von Standardsoftware ist hingegen noch keine vierte Kulturtechnik, pdf statt Papier kein pädagogisches Konzept.

 

Im Zentrum sollten daher auch die Fragen stehen: Wie verändern digitale Medien das Individuum und sein Verhalten? Wie wirkt sich Digitalisierung auf Familien, Freundschaften und Gruppen aus? Wie verändert Digitalisierung unsere Gesellschaft politisch und wirtschaftlich? „Competing with digital distraction“, der stete Kampf gegen die digitale Ablenkung, ist zum Grundsatz des alltäglichen Lebens und Lernens geworden. Selbstbeschränkung als Haltung wird wohl noch mehr eine zentrale Voraussetzung persönlichen Erfolgs werden.

 

3. Digitalisierung in der Schule erfordert Investitionen in Klassenzimmer und Köpfe

 

Ohne Investitionen in Klassenzimmer und Köpfe keine erfolgreiche Digitalisierung in der Schule:  Die technischen Voraussetzungen der Digitalisierung sind zu schaffen: Wir fordern, die bayerischen Klassenzimmer entsprechend der Empfehlung des Votums 2018 (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Beraterkreis zu IT-Ausstattung von Schulen, Kapitel 4 a) bis d) sowie Kapitel 7 a)) zügig auszustatten und an das Internet mit 100 Mbit anzuschließen. Technik ist nur eine Seite der Digitalisierung, die zweite sind die Menschen, die sie beherrschen: Die technische Betreuung der digitalen Klassenzimmer an Schulen erfordert hauptamtliche technische Systembetreuer neben den bisherigen pädagogischen Systembetreuern. Dieser technische Support kann nicht im Rahmen von Anrechnungsstunden der Lehrerschaft übertragen werden. Vielmehr ist eine Vollzeit-Stelle je ca. 500 Schüler notwendig, deren Finanzierung durch den Freistaat unverzüglich entschieden werden muss. Daneben bleibt die pädagogische Systembetreuung notwendige Aufgabe der Lehrerschaft.

 

4. Fortbildungen und digitaler Werkzeugkasten für die Lehrerschaft

 

Schüler brauchen kompetente Lehrkräfte für die digitale Bildung. Die neuen technischen und pädagogischen, aber auch didaktischen und methodischen Herausforderungen der Digitalisierung steigern die Anforderungen an die Lehrerschaft. Dies erfordert die Entwicklung eines systematischen Aus- und Fortbildungsprogramms für die Pädagogen. Sehr wichtig ist, dass den Lehrern hierfür zeitliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ein Online-Kurs allein stellt noch keine hinreichende digitale Fortbildung dar. Medienkompetenz und Mediendidaktik gehören in die Lehrerprüfungsordnung in Pädagogik und Fachdidaktik. In der Seminarausbildung müssen digitale Medien verstärkt Gegenstand und Werkzeug sein.

 

Die reiche Welt analoger Lern- und Lehrmittel ist um eine ebensolche digitale zu ergänzen: Für die Lehrer ist ein einfach handhabbarer und rechtssicherer digitaler Werkzeugkasten zu entwickeln. Es braucht eine hohe Vielfalt an qualitativ hochwertigen, digitalen Lehrmitteln. Auch Projekte für Open Educational Resources sollten durch ein Qualitätssiegel des Freistaats gefördert und auf einer zentralen Plattform verlinkt werden. Die Plattform MEBIS sollte weiter ausgebaut werden. Hierzu muss das Landesmedienzentrum Bayern personell und finanziell besser ausgestattet werden.

 

Dieter Brückner, OStD, Bundesvorsitzender der Bundesdirektorenkonferenz. Michael Schwägerl, StD, Landesvorsitzender Bayerischer Philologenverband Florian Schwegler, Landesschülersprecher Bayerns. Henrike Paede, Stellv. Landesvorsitzende Bayerischer Elternverband. Helmut Celina, Landesvorstand Landes-Eltern-Vereinigung (LEV) der Gymnasien in Bayern.